Graf Saint Germain in der Literatur – Varia

Graf Saint Germain in der Literatur  Friedhard Radam

Varia

Saint Germain war außerdem Sammler von Gemälden (Murillo, Velasquez), Schiffseigner (als Angehöriger einer Londoner Kompagnie Mitbesitzer des „Ackermann“, eines Handelsschiffes, das 1759 von französischen Korsaren gekapert wurde); er befaßte sich auch mit theoretischen Fragen und sah beispielsweise eine europäische Wirtschaftsunion voraus (in einem Brief an Friedrich von Preußen).

Zugehörigkeit zu Gesellschaften

Nicht entscheiden kann ich für meine Person die Frage, inwieweit der Graf von Saint-Germain Freimaurer und / oder Rosenkreuzer war, mir fehlt es auf diesem Gebiet an Einblick. Die Schwierigkeiten beginnen schon bei dem Versuch, die beiden Bewegungen im 18. Jahrhundert auseinanderzuhalten. So gewiß wie sie auch damals nicht identisch waren, so sicher ist, daß sie zu dieser Zeit teilweise durchdrangen, und daß bei manchen Funktionen in beiden Gruppierungen Personalunion herrschte. Es gab die Bestrebung, die Freimaurerei in das Rosenkreuzertum überzuführen oder umgekehrt. Das Freimaurertum sollte durch das Rosenkreuzertum durchdrungen und spiritualisiert werden, oder aber man wollte im Rosenkreuzertum die esoterische Weiterentwicklung der exoterischen Freimaurerei sehen. Angeschnitten ist hiermit die Frage der Geheimbündelei. Sie ist, was die Freimaurer betrifft, für diese Epoche relativ leicht zu entscheiden. Eine Vereinigung, der in Frankreich zeitweilig kaum jemand nicht angehörte, der in Politik oder Literatur eine Rolle spielte, sofern er nicht strenger Katholik war, kann man kaum als geheim bezeichnen; im übrigen gab es die spöttische Meinung, der Freimaurerbund wäre derart mit Jesuiten durchsetzt, daß man im Grunde bei ihm von einer orthodoxen katholischen Organisation sprechen könnte. – In dem Sinne aber, daß Mitglieder einer Organisation gehalten sind, nicht über deren interne Belange in der Öffentlichkeit zu sprechen, ist heute jeder mittelständische Betrieb eine Geheimgesellschaft. Ich will diese Frage hier aber nicht herunterspielen. Im Internationalen Freimaurer-Lexikon von Lennhoff / Posner jedenfalls wird Saint-Germains Zugehörigkeit bestritten. Andere Autoren wiederum bauen ihr Darstellungsgebäude geradezu auf einer starken Position Saint-Germains innerhalb der Freimaurerei auf. Von Karl von Hessen-Kassel ist es sicher, daß er hohe Funktionärsposten innehatte – er war „Provinzial-Großmeister der beiden deutschen Provinzen und der Provinz Italien. “ Sehr merkwürdig ist jedoch, daß Karl zu dem großen Freimaurer-Kongreß 1782 in Wilhelmsbad ohne den Grafen reist, der auf diesem Kongreß, wenngleich unter dem Pseudonym „Guggomoos“»eine gewaltige Rolle als Einiger aller verwandten Bünde gespielt haben soll! Jedenfalls schreibt er kein Wort davon. Eine taktische Auslassung? 
Beziehungen liegen natürlich nahe. Die Fama will andererseits, daß „Saint-Germain“ am „Allgemeinen Ordensconvent“ der Philalethen, einer französischen Nebenorganisation, „vornehmlich“ der Vertreter der Franzosen gewesen sei. Allerdings fand dieser Kongreß erst im Jahre 1785 statt! – Die Angabe stammt auch von E. E. Eckert, der in allem freimaurerische Umtriebe sah. Dies nur als (vielleicht?) absurdes Beispiel. Was für ein Saint-Germain nahm an diesem Kongreß teil? Man gab sich in esoterisch-okkulten Kreisen zuweilen seinen Namen, um für echt und gewichtig gehalten zu werden. -
Sieht man die Freimaurerschaft als humanitäre Vereinigung an, was sie zumindest immer auch war, so besteht dennoch kein Grund, eine Zugehörigkeit Saint-Germains, ohne Intrigantentum und Machtstreben, zu bestreiten. Es gab auch einige Hinweise, daß Saint-Germain gerade in Hamburger Logen aktiv gewesen sei (daher seine Reisen hierher); ich hatte aber keine Gelegenheit, mir darüber Gewißheit einzuholen. Die Widersprüche – ob Freimaurer oder nicht – könnte man jedoch auch auf andere Weise erklären. Gerade bei im weitesten Sinne politischer Tätigkeit eines Ordens läßt sich eine Geheimhaltung der Hierarchie nicht vermeiden; des¬gleichen kann es opportun erscheinen, daß darauf geachtet wird, eine Zugehörigkeit nicht publik zu machen. Die verschiedenen, einander widersprechenden Angaben, können also ganz simpel auf einem unterschiedlichen Niveau der Einweihung bestehen. 
Das Problem könnte mit einem Schlage gelöst werden, wenn sicher wäre, daß die Autorschaft an der freimaurerischen Schrift ‚La Très Sainte Trinosophie‘ Saint-Germain zugeschrieben werden kann.
 Auf ähnliche Weise muß man an die Frage herangehen, ob der Graf von Saint-Germain Rosenkreuzer gewesen sei. Hier bedarf es der Definition. Franz Hartmann, selbst Rosenkreuzer, Freimaurer, Templer und Theosoph, unterscheidet drei Arten dessen, was, je nach Standpunkt, als „Rosenkreuzer“ bezeichnet werden kann:

a) R. als Menschen, die nach göttlicher Weisheit streben und sich bemühen, von innerem Licht er- füllt zu werden. Ein Rosenkreuzertum dieser (echten) Art sei an keine Gruppierung gebunden und von jedem zu erreichen. Den Grafen von Saint-Germain kann man hier mit einbeziehen.

b) den im 17. Jahrhundert existierenden Orden der R., der auf den Mythos eines „Christian Rosenkreuz“ zurückgeht. -
Er war in dieser Form im 18. Jahrhundert erloschen.

c) die danach entstandenen Vereinigungen, die sich zum Teil auf den alten Orden berufen und von der unter a) referierten Grundidee ausgehen; für die meisten ihrer Anhänger war oder ist Rosenkreuzertum identisch mit einer Mitgliedschaft bei ihnen. – Sie bestehen bis in unsere Tage hinein; in Deutschland gibt es zur Zeit deren zwei.
 Ob Saint-Germain einer von ihnen oder einer damals eventuell bestehenden großen umfassenden Organisation angehörte, ist der entscheidende Punkt. Hier spielt offenbar noch mehr als bei den Freimaurern der Grad der Eingeweihtheit – oder oft einfach nur der Kenntnisstand – der Autoren eine Rolle. Auch ist nicht immer zu unterscheiden, ob ein Schriftsteller jeweils von St. -G. als Rosenkreuzer im allgemein-spirituellen Sinne spricht oder von ihm als Mitglied einer Vereinigung. 
Für Pierre Ceria und Francois Ethuin ist die Sachlage ganz eindeutig: Saint-Germains Reichtum sei nicht privater Natur gewesen, sondern der der Rosenkreuzer, ihm zur Erfüllung seiner Aufgabe – der geistigen Läuterung Europas auf dem Wege über die Fürsten – mit auf den Weg gegeben. Daher erkläre die Französische Revolution auch die „Armut“, in der er nach Schleswig gekommen sei (nach Mme. de Genlis „sans suite et sans éclat“): ‚ die Revolution hätte das Scheitern der Bemühungen
bedeutet, Europa über seine Häupter zu reformieren; damit sei der Grund entfallen, Saint-Germain mit größeren Hilfsmitteln auszustatten. Noch lapidarer verfährt Frans Wittemans in seiner „Histoire des Roise-Croix“. Er widmet dort Saint-Germain ein ganzes Kapitel und erklärt ihn kurzerhand zum „chef des Roise-Croix francais“. Wie ich selbst mündlich erfahren habe, soll sogar die Art seines Begräbnisses ein Indiz für seine Zugehörigkeit zu den Rosenkreuzern sein. Der Vermerk „still beigesetzt“, der sich über ihn im Kirchenbuch findet, soll nach diesem Hinweis darauf hindeuten, daß er Angehöriger höherer rosenkreuze-rischer Grade gewesen sei. Die Zusammenhänge konnte ich hier nur sehr verkürzt wiedergeben Sie sind naturgemäß auch noch weniger zu durchschauen als üblicherweise historische Vorgänge überhaupt und werden erst im Lauf der Zeit erforscht werden können, da das Interesse nicht-sensationalistischer Art an ihnen noch ziemlich jung ist.

 

Redaktionell: 

Scan-Exemplar. Fußnoten aus techn. Gründen entfernt

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Friedrich von Preußen, Freimaurer, Rosenkreuzer, Guggomoos,  Philalethen, E. E. Eckert, Franz Hartmann,  Franz Hartmann,  Pierre Ceria,  Francois Ethuin, Frans Wittemans,